Franzensbad d. 1 August 1889.
bei Dr. Loimann.
Liebe Frau Franz
ich weiß, wie Sie theilnemend meiner gedenken, und möchte daher nicht säumen Ihnen mitzutheilen, daß ich leider den Entschluß fassen mußte, Obersalzberg für diesen |2| Sommer aufzugeben. Durch Zufälligkeiten aller Art, sind wir ausnahmsweise sehr spät erst hierher gekommen, <d>so daß ich kaum vor dem 19–20ten d. M. nach Obersalzberg kommen würde, das ist mir aber doch gar zu spät, ich hätte dann etwa 14–16 Tage oben, das ist zu kurz für die große Reise. Wir gehen also |3| von hier direct nach Baden-Baden, woselbst wir dann bis zum 28ten Septbr zu bleiben hoffen. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu sagen, wie betrübt ich bin nicht auf den geliebten Berg zu kommen, Sie nicht zu sehen mit den lieben Kindern! aber, wie oft muß man der Vernunft folgen! das Reisen wird mir eben auch nicht mehr so leicht wie früher.
|4| Frl. Wendt, die mich erst oben erwarten wollte, kommt nun für einige Tage hierher, was mich sehr freut; vorher denkt sie (vom 5ten Aug. an) wahrscheinlich in den Jahreszeiten in Berchtesg. zu bleiben, gewiß sehen Sie sie da ab und zu. Ach, wie sehnsüchtig werden meine Gedanken zu Ihnen streifen! Das herrliche Berchtesgaden nicht zu sehen – hart ist es mir! –
Leben Sie wohl, liebe beste Frau Franz, und bleiben Sie gut Ihrer
allezeit getreuen
Clara Schumann.
Unser lieber Ehrenbürger kommt gewiß einmal nach Berchtesgaden!? –
Marie sendet ihre herzlichsten Grüße.
Von Frl. Wendt hoffen wir von Ihnen zu erfahren.
[Umschlag]
Bayern.
Frau
Dr Anna Franz.
aus Wien.
Berchtesgaden.
Villa Wahlheim.
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