23.01.2024

Briefe



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ID: 11632
Geschrieben am: Donnerstag 04.01.1883
 

Frankf. d. 4 Jan. 1883

Lieber Herr Scholz,

all die Zeit hatte ich es auf dem Herzen Ihnen zu schreiben. Ich hatte inzwischen mit Hartmann gesprochen, auch mit Mumm und schienen mir Beide etwas alterirt. Habe ich nun gleich immer das Princip verfolgt, mich in Nichts zu mischen, wo ich nicht gefragt werde, so scheint es mir hier, anbetracht des Vertrauens das Sie mir entgegengebracht, Pflicht, offen zu Ihnen zu sprechen, umsomehr als ich die Frankfurter doch schon mehr kenne als Sie. Ich glaube Sie können sich Ihre Stellung hier nur angenehm machen wenn Sie in Allem ruhig vorangehen, nichts überstürtzen [sic]. Die Frankfurther hängen sehr an dem, was besteht, und vertragen keinen gewaltsamen Eingriff. Es ist gewiß nicht angenehm für Sie, die Lehrer, die Sie nicht für fähig halten, zu entlassen, aber, haben Sie sich erst selbst davon überzeugt, so wird man es <so> in der Ordnung finden, während, wenn das Curatorium sie jetzt ohne Weiteres entläßt, was sie eigentlich wohl kaum contractmäßig können, so macht das böses Blut gegen Sie, man sagt, Sie haben auf Entlassung dieses und jenes Lehrers gedrungen ohne sich erst überzeugt zu haben legt vielleicht gar persönliche Gründe unter. Es ist Devrient als er die Intendanz hier antrat <> so gegangen; er <>entließ mehrere Schauspieler sofort (noch ehe er antrat) und das machte so böses Blut, <eben so seine eifrig> daß er schon vom Beginn an den schwersten Stand hatte. Die Herren vom Curatorium sagen sie könnten überhaupt weder Lehrer anstellen noch entlassen, das sey Director’s Sache, natürlich mit Einwilligung des Curatoriums. Wenn ich darüber nachdenke, so scheint mir, sie haben recht. Ich glaube, schwierig ist die Situation für Sie jedenfalls, aber gewiß weniger, und für das Ganze <> erfolgreicher, wenn Sie langsam voran gehen. Das künstlerische Streben, wo es so ernst ist, treibt gewiß voran, aber, wo man so viel auch mit der Praxis zu thun hat, muß man sich selbst Gewalt anthuen. Ich bin überzeugt, es gelingt Ihnen mit der Zeit Alles, <und sehen schon> <> und wir sehen das Institut bald im Flor. – Mit Stockhausen habe ich auch ausführlich gesprochen, er hat mir Alles auseinandergesetzt, warum er im April nicht eintreten könne, vor allem müßten doch Sie erst die vorhandenen Schüler prüfen, und, sichten dann ect. ect. Er sey noch obendrein zu Ostern nicht hier ect. Kurz, er hat sich mit H. v. Mumm dahin geeinigt, daß er im Herbst eintrete, und auch, daß er contractmäßig jedem seiner Schüler 30 Minuten zwei mal wöchentl giebt. H. v. Mumm war durchaus dafür ihn erst im Herbst eintreten zu lassen, schon deshalb auch weil sie jetzt unmöglich die anderen Gesanglehrer Knall und Fall entlassen können. Stellen Sie nur ja mit Stockh. Alles recht fest; er sagt es selbst immer, es müsse Alles schwarz auf weiß abgemacht werden, also kommen Sie damit nur seinen Wünschen entgegen. Mit Urspruch sprach ich neulich auch, und er sagte mir, daß er es ganz natürlich finde, daß Sie die Compositionsclasse übernähmen, aber als zweiter Lehrer könne er nicht bleiben, er könne nicht die Schüler für Ihre Classe vorbereiten, sondern, solle er bleiben, so müsse er seine ganz selbständige Klasse haben, die Schüler, die er einmal unterrichtet bis zum Abgange von der Schule das Recht haben zu behalten. Sind so viele Compositionsschüler, daß es zweier Lehrer bedarf, dann können Sie das doch vielleicht einrichten? Auch diese Angelegenheit läßt sich wohl ohne Ihre ständige Anwesenheit hier nicht regeln. Verzeihen Sie die zwei halben Blätter. Sie und Ihre liebe Familie mit herzlichsten Wünschen zum <n>Neuen Jahr grüßend
Ihre
treu ergeb
Clara Schumann.

PS. Ich bin furchtbar beschäfftigt, haben Sie daher Nachsicht mit der Flucht meiner Zeilen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort:
  Empfänger: Scholz, Bernhard (1392)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 16
Robert und Clara Schumanns mit Bernhard Scholz und anderen Korrespondenten in Frankfurt am Main / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller und Anselm Eber / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-027-8
110-113

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh, s: 68.6451/22
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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