23.01.2024

Briefe



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ID: 11111
Geschrieben am: Montag 30.12.1878
 

Frankfurt d. 30. Dez 78.
Liebes Fräulein!
Ich fühle mich, was die Concertangelegenheit in Berlin betrifft, Ihnen, die Sie so warmen Theil an der Sache nehmen, gegenüber gedrungen, ein offenes Wort zu sagen, um so mehr, als ich höre daß Fr. Joachim verbreitet, daß ich nicht mit ihr hätte concertiren wollen. Die Sache ist ganz einfach, (oder eigentlich auch nicht einfach) die: Ich habe |2| im Herbst in Hamburg Herrn Joachim gefragt,1 ob seine Frau Lust haben würde mit mir in Berlin zu concertiren, er antwortete, er glaube es u wolle es ihr sagen. Darauf erhalte ich Ende Oktober einen Brief von ihr,2 ob u wann ich mit ihr Concert geben könne? Ich gab ihr sofort in einer Antwort die Zeit zwischen Weihnachten u Neujahr an u zwar zwischen 27t. u 31. Dezember; es war dies die Zeit, wo ich am besten fort konnte, u die ich als eine günstige Concertzeit für |3| Berlin kenne. Ich bat sie um baldige Antwort, erhielt keine bis Anfang Dezember, wo ich nochmal per Karte bei ihr anfrug, wie es mit dem Concert stünde, (damals hatte ich Ihre Karte noch nicht erhalten also keine Ahnung daß sie Concert mit ihrem Mann geben würde) darauf erhalte ich einen höchst verletzenden Brief, worin sie mir sagt, daß sie in meinem Briefe ein herzliches Wort vermißt hätte u daraus geschlossen, ich wolle nicht mir ihr concertiren als ob meine Anfrage im Herbst nicht genug Beweis wäre des Gegentheils!, übrigens habe sie Schäff wegen des Tages befragt |4| / (dadurch widerspricht sie ihrer ersten Aeusserung) u dieser habe gemeint ein Concert in der Zeit würde keinen pecuniären Vortheil bringen; von dem Concerte mit ihrem Manne erwähnt sie kein Wort; hätte sie mir dies offen geschrieben ich hätte es ja nur zu natürlich gefunden. Wärend [sic] dies alles vorging, bekam ich Ihre Mittheilung, u nun wurde mir die ganze Intrige klar, auch hörte ich dieser Tage daß sie Ende Januar mit Barth Concert geben wolle u nun wird mir auch das klar, daß sie mir schrieb, sie habe überhaupt keine Zeit mehr zu einem Concerte in Berlin mit mir. Es ist |5| recht betrübend an seinen Freunden solche Erfahrungen zu machen. Ich schreibe Ihnen dies weil ich nicht möchte daß sich in Berlin das Gerücht verbreitete als habe ich nicht dort spielen wollen.
Ich könnte ja nun wol auf meine eigene Hand, allein, Concert dort geben, aber dazu entschlöße ich mich, so kurz nach diesem Vorfalle, doch nicht gerne, wenn auch Fr. Joachim |6| eine solche Rücksicht meinerseits nicht verdient. Thun Sie mir den Gefallen keinen unvorsichtigen Gebrauch von diesem Briefe zu machen, verbrennen Sie ihn lieber.
So ist denn also diesen Winter keine Aussicht daß wir uns sehen, im Sommer hoffe ich aber sehr auf ein Begegnen.
Nehmen Sie mit Ihrer lieben Freundin11 meine herzlichsten Glückwünsche zum neuen Jahr u glauben Sie mich stets
Ihre
aufrichtig
ergb
Clara Schumann.

Wegen meines Armes schrieb ich nicht eigenhändig. Ich war einige Tage sehr erregt über diese Sache, wie Sie denken können.
Verzeihung für das etwas confuse Dictat.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Wendt, Mathilde (1688)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 14
Briefwechsel Clara Schumanns mit Mathilde Wendt und Malwine Jungius sowie Gustav Wendt / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-86846-025-4
47-50

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 7349,9-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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