23.01.2024

Briefe



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ID: 10891
Geschrieben am: Donnerstag 03.05.1877
 

Berlin d. 31ten Mai 77.

Meine liebe Frau Fellinger!

Beinahe einen ganzen Monat ließ ich Ihren lieben Brief unbeantwortet, obgleich ich den Hauptinhalt deßselben gern sofort besprochen hätte, denn mit herzlicher Freude lernte ich die Composition Ihres Freundes kennen; man merkt den Sachen die Vertrautheit mit Schumann wohl an, erfreut sich aber dabei an der feinen, musikalischen Natur, die daraus spricht. Ich möchte Ihren Freund darauf aufmerksam machen, daß hie u. da theoretische Unebenheiten sind, u. es wohl gut wäre, wenn er sich eine Zeit lang contrapunctisch beschäftigte. Hat derselbe keine größeren Stücke, Instrumentalwerke etc. |2| geschrieben? Es würde mich interessiren etwas Größeres v. ihm kennen zu lernen. Auch Lieder würden mich interessiren. Wie schön, daß Sie neben dem Glück mit Ihrer Mutter mal wieder eine Zeit lang zu leben einen Freund gefunden haben, der Ihrer Liebe zur Musik so reiche Nahrung giebt; wie muß das auch auf Ihre liebe Mama erfrischend wirken.
Ich vermißte in Ihrem Briefe sehr Genaueres über Ihren lieben Mann – ich glaubte, er wäre hier in einem Geschäfte; Sie erwähnen aber nichts davon? Wie lange denken Sie in Tübingen zu bleiben? Ich denke doch jeden Sommer immer wieder |3| mit neuer Hoffnung daran Ihre verehrte Mutter endlich mal kennen zu lernen!
Bald rüste ich zur Abreise nach Kiel, dort eine dreiwöchentliche Kur zu machen u. gehe v. dort in die Schweiz. Meine Adreße ist aber bis Mitte Juli hier. Ich hoffe, es geht Ihren Kindern, von denen Sie mir auch wohl nächstens mal wieder erzählen, gut?
Ich bin enorm beschäftigt, daher Sie die Kürze dieses Briefes freundlich entschuldigen wollen. Sagen Sie mir, wie lange Sie noch in Tübingen bleiben u. auch von Ihrem Freunde. Geht Alles, wie wir |4| es jetzt uns ausgedacht, so werden wir wohl den September in Baden zubringen – wer weiß, ob wir uns dann nicht sehen. Sagen Sie mir doch auch, ob ich die mir geschickten Stücke zurücksenden soll?
Und nun herzlichste Grüße an Ihr ganzes liebes Haus von Ihrer
treu ergebenen
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Fellinger, Maria (443)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
203f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11750-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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