Düsseldorf, den 6ten Febr. 1854.
Geehrter Herr,
Ihr Brief hat sich gefunden. Da er in meine Correspondenzbücher eingeheftet war, mußte er in Blätter geschnitten werden. Was Sie mir sonst von Ihren literarischen Arbeiten mittheilen, dafür dank’ ich Ihnen, namentlich für die Akustischen Briefe, weniger für die Carlsruher Broschure. Ich gehe immer gern gerade aus und sage denen, die mir durch langjährige Bekanntschaft näher stehen, nach Gewissenspflicht die Wahrheit. Daß Sie der Hoplit waren, das wußt’ ich gar nicht. Denn ich harmonire nicht sonderlich mit seinem und seiner Parthey Liszt-Wagner’schen Enthusiasmus. Was Sie für Zukunftsmusiker halten, das halt’ ich für Gegenwartmusiker, und was Sie für Vergangenheitsmusiker (Bach, Händel, Beethoven), das scheinen mir die besten Zukunftsmusiker. Geistige Schönheit in schönster Form kann ich nie für „einen überwundenen Standpunkt“ halten. Hat diese etwa R. Wagner? Und wo sind denn die genialen Leistungen Liszt’s – wo stecken sie? Vielleicht in seinem Pulte? Will er vielleicht die Zukunft erwecken, weil er fürchtet, man versteh’ ihn jetzt nicht? Nein – ich kann nicht mit diesem Hoplitschen Enthusiasmus harmoniren.
Sie haben auch mich in Ihrer Broschure genannt und die Ouvertüre zu Hamlet mit großer Theilnahme besprochen. Aber Sie haben auch an anderer Stelle über mich sich ausgelassen, daß ich glaube, Sie verstehen mich nicht. Sie sprechen von einem Fehlen von Liebe, die keine Reflexion ersetzen könne. Haben Sie sich wohl überlegt, was Sie da geschrieben haben? Sie sprechen von Mangel an Objectivität – haben Sie sich auch das überlegt? Allein vier Symphonien, sind sie eine wie die andere? oder meine Trios? oder meine Lieder? Ueberhaupt giebt es zweierlei Arten Schaffen? Ein ob- und subjectives? War Beethoven ein objectiver? Ich will Ihnen sagen: das sind Geheimnisse, denen man nicht mit so elenden Worten beikommen kann. Dann sprechen Sie von Zwittergattungen? Meinen Sie etwa das Requiem der Mignon, – das Nachtlied, die Pilgerfahrt der Rose, den Königssohn und des Sängers Fluch, und die Manuscriptballaden, die ich noch habe, Vom Page und der Königstochter, das Glück von Edenhall – ei das könnte mich ja bestimmen, die Sachen zurück zu legen und mein Requiem anzustimmen, das auch noch im Pulte liegt!
Lieber Hr. Hoplit! Der Humor ist die Hauptsache, und dann, was Sie an meinen Compositionen vermißen, und was namentlich dem Lied „Du meine Seele“ fehlt, die Liebe. Diese beiden Hauptsachen will ich anwenden, um über das, was Sie mir angethan, hinwegzu kommen. Noch Eins: ich habe, so lang ich öffentlich schrieb, es für meine heilige Pflicht gehalten, jedes Wort, das ich aussprach, auf das Strengste zu prüfen. Ich habe jetzt auch die freudige Genugthuung, bei der neuen Ausgabe meiner Schriften fast alles unverändert stehen laßen zu können! Ich bin älter als Sie, ich blicke durch mein langjähriges Schaffen und Arbeiten sicher und klarer in die Geheimnisse. Suchen Sie’s nicht in philosophischen Ausdrücken, nicht in spitzfindigen Unterscheidungen. Jean Paul mit seinem innigen Gemüth hat die Musik tiefer begriffen, als der scharfdenkende Kant.
Nun mit einem Sprung über die Kluft, die uns getrennt, weg! Richard Pohl ist mir lieber als der Hoplit. An den Ersteren ist auch dieser Brief gerichtet mit alten Grüßen,
R. Sch.