23.01.2024

Briefe



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ID: 1087
Geschrieben am: Freitag 10.02.1854
 

In einer besonderen Angelegenheit, lieber Hr. Robert Franz, schreibe ich Ihnen und zwar nach jahrelanger Pause, die wir beiderseitig hätten eher aufheben sollen. Die Angelegenhet ist die: Hr. Hinrichs, der glaub' ich ein Bekannter von Ihnen ist, hat sein dreyzeiliges Pasquill, wie man mir gesagt, auch in einer EInzelausgabe abdrucken [über der Zeile eingefügt:] lassen. Glaubt er denn, daß er duch diesen Nadelstich allen meinen Nach-Pericompositionen den Garaus machen kann? Dem Manfred, dem spanischen LIederspiel den drei Trios, der 2ten Sonate für VIoline und P[iano]f[or]te und dann der 2ten und 3ten Symphonie? O ich wünschte, daß er diese Compositionen, die zum Theil während unseres Zuges nach Holland aufgeführt worden sind, gehört hätte, daß er sich von dem Ennui, den diese "verkommenen" Sachen auf Musiker und Publikum hemacht, selbst hätte überzeugen können. Un von einer "traurigen Manier" spricht er! Sind die Symphonien, eine wie die andere, die Trios, die 2 Sonaten f. Violine und P[iano]f[or]te das spanische und das Minnespiel, die Ouverturen zu Manfred und die zu Genoveva, das Requiem von Mignon und das Adventlied? Oder kennt er die Sachen alle gar nicht - und nur die Nach-Perischen zwei Liederhefte, die er als Beweise anführt? Hat er die Texte dieser Waldlieder gelesen? Glaubt er, daß man solche anmuthige Gedichte so auffassen müßte wie welche von L[ord] Byron und Lenau? Weiß er nicht, daß die Musik die ursprüngliche Stimmung des Gedichts treffen, aber nicht überbieten soll?

Nun genug von diesem Nadelstich! Ich wollte Ihnen, lieber Franz, nur meine Ansicht darüber mittheilen und stelle Ihnen frei, welchen Gebrauch Sie davon machen wollen. Sie können dem Stecher auch sagen, daß ich, mir außer den Noten-, auch etwas auf den Wortgriffel mich [gestr.: etwas] verstände. Auf Mückenstiche aber antworte ich nicht mit Kanonen- und auch das, daß meine gesammelten Schriften erschienen, woraus er ersehen könne, daß ich auch scharfe HIebe [über der Zeile eingefügt:] zu führen vermöchte, aber [gestr.: nicht; über der Zeile eingefügt:] nie gegen strebsame, thätige Künstler. Der Fleck bleibe auf ihm, nicht auf dem Beschmutzten.

Lieber Franz, es sit schön, daß wir die Musik haben, wo wir in einigen Augenblicken uns üebr die Gemeinheit der Welt hinausschwingen können. [ein Satz (neun Worte) gestr.] Das wollen wir jetzt thun und jene auf der Erde lassen.

Schreiben Sie mir auch, wie Sie leben und weben. Ich habe immre mit Antheil Ihrer gedacht. Aber so große Ferne vermindert den Verkehr. Im nächsten Winter hoffe ich, Sie zu sehen, aber von Ihnen noch vorher etwas zu hören.

Möchten Sie diese Zeilen in gutem Wohlsein antreffen!

Ihr R. Schumann.






"...Glaubt er" "denn, daß er durch diesen Nadelstich allen meinen Nach-Pericompositionen den Garaus machen kann? Dem Manfred, dem spanischen Liederspiel, den drei Trios, der 2ten Sonate für Violine u. P[iano]f[or]te, und dann den 2ten und 3ten Symphonie[n]? O ich wünschte, daß er diese Compositionen, die zum Theil während unsres Zuges in Holland aufgeführt worden sind, gehört hätte, daß er sich von dem Ennui, den diese "verkommenen" Sachen auf Musiker und Publicum gemacht, selbst hätte überzeugen können. Und von einer "traurigen Manier" spricht er! Sind die Symphonien, eine wie die andere, die Trios, die 2 Sonaten ..., das spanische Minnespiel, die Ouverture[n] zu Manfred und die zu Genoveva, das Requiem von Mignon und das Adventlied [traurig]? Oder kennt er die Sachen alle gar nicht - und nur die Nach-Perischen zwei Liederhefte, die er als Beweise anführt? Hat er die Texte dieser Waldlieder gelesen? Glaubt er, daß man solche anmuthige[n] Gedichte so auffassen müsse, wie welche von L. Byron und Lenau? Weiß er nicht, daß die Musik die ursprüngliche Stimmung des Gedichts treffen, aber nicht überbieten soll?
Nun genug von diesem Nadelstich! ... Sie können dem Stecher ... sagen, daß ich, wie außer dem Noten-, auch etwas auf dem Wortgriffel mich verstünde. Auf Mückenstiche aber antworte ich nicht mit Kanonen...
Lieber Franz, es ist schön, daß wir die Musik haben, wo wir in einigen Augenblicken uns über die Gemeinheit der Welt hinausschwingen können ... Das wollen wir jetzt thun und jene auf der Erde lassen..."
[Kat. Stargardt Nr. 563: 28.05.1963, S. 129, Los 601 (gek.)]

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Franz, Robert (480)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) D-BNsa; s: I i 98/274; [siehe auch F 346]
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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