Berlin d. 7 Dec. 75
In den Zelten 11.
Meine liebe Frau Fellinger
längst schon lag es mir recht sehr auf dem Herzen Ihnen ein Wort zu senden, ich wollte es aber eigenhändig thuen, und war all die Zeit durch concertiren sehr in Anspruch genommen, so daß ich nicht dazu kam. Meine Gedanken waren aber oft bei Ihnen, liebe theuere Frau, das mögen Sie mir glauben. Wie schwere Zeit verleben |2| Sie Beide, welche Prüfung ist Ihnen geworden! aber, so viel ich Sie zu kennen glaube, Ihre Seele ist gewiß stark, vor allem stark durch die Liebe zu dem theueren Manne. Ihm, auf dem die Sorge für Alle lastet, tragen zu helfen, ihm manch schwere sorgenvolle Stunde durch Ihre Liebe und Ergebung zu erleichtern, das muß doch ein schönes Gefühl sein, und Sie beide erheben zum Segen für Ihre lieben Kleinen. |3| Sagen Sie mir ein Wort, wie es Ihnen jetzt geht, was Sie beginnen? ziehen Sie wirklich ganz in die Nähe Düsseldorfs? dann sähe ich Sie bald, da ich im März durchreise. Jedenfalls suche ich Sie gleich auf.
Ihre liebe Mutter mag das Mißgeschick recht schwer in ihrer Einsamkeit tragen! wäre Sie bei Ihnen, so trüge sie es gewiß auch leichter! – Ach, daß das Schicksal so liebe Menschen so |4| heimsucht, wie hart ist das. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mit Ihnen das Wehe empfinde. Der Himmel gebe Ihnen Muth, meine liebe Frau Fellinger, und lasse Sie erstarken im Hinblick auf die theueren Schätze die Ihnen der Himmel in Ihren Kindern verliehen, und erhalten möge. Indem ich Ihnen und Ihrem lieben Manne die Hand drücke bin ich in wahrer, treuer Anhänglichkeit und Theilnahme
Ihre Clara Schumann.
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