23.01.2024

Briefe



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ID: 10640
Geschrieben am: Freitag 06.11.1874
 

Berlin d. 6 Nov. 74.
Lieber Freund,
gern möchte ich Ihnen ja morgen einen eigenhändigen Gruß senden, der alle wärmsten Wünsche für Sie in sich schließt. An solchen Tagen, wo willkürlich der Herzschlag ein besonders angeregter ist, sollte man sich schneller erreichen können als es leider der Fall. Möchten Sie einen heiteren Tag verleben – ganz ungetrübt ist es ja freilich nicht möglich, denn der Gruß aus dem Süden kann Ihnen ja immer nur ein wehmuthsvoller sein! –
Für Ihren lieben Brief meinen besten Dank auch für Nachfrage nach meinem Befinden. Daß ich Ihnen nichts davon schrieb konnte Ihnen Beweis sein, daß es nicht besser geht, denn in diesem Falle hätte ich es Ihnen mitgetheilt. Freude theile ich gern mit – das Leid muß man natürlich für sich tragen. Die arme Junge leidet ganz unaussprechlich ich war 14 Tage dort., und dabei ist doch ihr Geist und das Herz frisch, voller Interesse und Theilnahme für Jeden. Daß es solch unausgesetztes Leiden geben könnte, wie man da mit ansieht, hätte ich nie für möglich gehalten. Denken Sie daß die Arme keine Stelle mehr hat, auf der sie ohne große Schmerzen liegen könnte! dann seit 3 Monaten nichts mehr zu sich nimmt, als etwas Wein. Doch genug davon, es ist ein zu grausames Schicksal welches die Leiden trifft – das Herz blutet Einem sieht man die arme Leser, blind und allein nach 38 Jahren Zusammenleben
Wir haben nun ziemlich Alles hier in Ordnung – es war furchtbar diese Masse von Sachen, besonders Noten u. Bücher.
Nun müßten Sie uns aber ’mal besuchen – ich habe ein rechtes Fremdenstübchen jetzt, und mit herrlicher Freude sähe sich es ’mal von Ihnen benutzt.
Ihre freundlichen Rathschläge habe ich Alle befolgt und drücke Ihnen dafür und noch aus manchen anderen Gründen von ganzem Herzen die Hand als
Ihre
getreue Freundin
Clara Schumann.

Die Kinder senden ihre besten Wünsche.
Eug. singt wieder fleißig und Alle studiren wir Theorie.
Von Elise haben wir gute Nachrichten aus New York. Sie hat aber entsetzlich auf der Seereise gelitten.
Felix schreibt nette Briefe, leider nie von seinem Befinden, was mir kein gutes Zeichen scheint.
An Herrn Allgäuer meinen herzl. Gruß.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Levi, Hermann (941)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 5
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Franz Brendel, Hermann Levi, Franz Liszt, Richard Pohl und Richard Wagner / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik, Axel Schröter und Klaus Döge / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-016-2
685f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6575-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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