23.01.2024

Briefe



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ID: 10554
Geschrieben am: Sonntag 21.09.1873
 

Baden d. 21 Septbr 1873.
Liebste Betty
es hat sich Alles wieder geändert! seyen Sie nicht bös, daß ich nicht früher auf Ihren neulichen lieben Brief schrieb, aber da war ein Mißverständniß mit Marie Schuld. Sie wollte Ihnen schreiben, wußte aber Ihre Adresse nicht, |2| und wußte auch nicht, daß Sie sie mir mitgetheilt. Ich glaubte nun, sie habe längst geschrieben, da erfahre ich erst die Sache.
Ich kann nicht mehr hier fort, es ist zu spät geworden, unser Umzug rückt heran, meine Concert Engagements auch, ich muß studieren, mit den Kindern bin ich auch noch nicht zu Rande, und vor allem macht uns Felix viel |3| Sorgen – er hat eine Brustfell-Entzündung gehabt, und ist jetzt wohl auf dem Wege der Besserung, aber sehr langsam. Fortzugehen jetzt, dazu entschlösse ich mich nicht, denn die Sache be-kümmert mich sehr. Der Doctor sagt, er müsse sich sehr hüten, weil <> seine linke Lunge etwas angegriffen wäre.
Sie haben keinen Begriff, was ich jetzt noch zu thuen habe – |4| ein Glück ist es aber, ich kann nicht trüben Gedanken allzuviel nach-hängen – Diese kommen mir so leicht.
Die Genovefa soll nun am 15ten Octbr daran kommen in München, am 10ten habe ich Concert mit Stockhausen in Stuttgart! wie wäre es schön sähe ich Sie noch in München!
Lassen Sie uns bald wieder von sich hören, wie lange Sie noch in Leipzig bleiben, wenn Sie wieder in Wien sein wollen? Marie |5| hat <sich> jetzt viel auf sich – ich wollte wir wären erst über die nächsten vier Wochen hinweg.
In Wien wird nun die Genovefa auch im November wohl daran kommen, Herbeck hat mir das Aufführungsrecht abgekauft. Ich hoffe die Aufführung wird eine Gute, obgleich die Mittel gerade dafür jetzt in München besser sind.
Ich weiß nicht, ob |6| ich Ihnen schrieb, daß Brahms mich einige Tage hier besucht hat, und es recht gemüthlich war, so daß wir Alle gern daran zurück denken, und dadurch manch Anderes uns betrübende in den Hintergrund gedrängt wurde, was mir eine wahre Beruhigung ist. – Ich studiere jetzt fleißig an seinem wunderbar schönen Concerte, welches ich in Leipzig spielen will. |7| Grüßen Sie die lieben Ihrigen schönstens, auch Frau Trinius meinen Gruß! Die Kinder senden Ihnen die herzlichsten Grüße und ich umarme Sie, meine liebe theuere Betty, in treuer Liebe
als Ihre
Clara Schumann.
Entschuldigen Sie mein miserables Löschpapier, das Alles verwischt.
|8| Ich vergaß ganz Ihnen zu danken daß Sie sich in Thüringen mit uns beschäfftigt. Ich denke es mir da oben doch recht einsam, und das lieben wir Alle doch nicht. Wir denken sehr daran uns ein anderes kleines Haus, etwas höher, hier zu bauen. Es ist hier doch schöner als irgendwo! Ernst und Lieblichkeit der Natur in schönstem Vereine! –

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Oser, Betty (1152)
Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
771-774

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6838-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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