Privatim.
Düsseld. d. 28 Dec. 1871.
Lieber Joachim,
da ich vermuthe, daß Sie vielleicht H. v. Keudell meinen Brief betreffs der Hochschule mittheilen wollten, möchte ich Ihnen hier privatim noch einiges sagen. Sollten Sie meine Forderungen sehr hoch finden – ich gebe zu, daß sie es sind – so gebe ich Ihnen zu erwägen, daß ich 52 Jahre alt bin, wo man einen gänzlich neuen Lebenslauf mit der größten Selbstüberwindung nur beginnt. – 10 Jahre früher wäre es ein viel Leichteres für mich gewesen, schon weil man einen ganz andern Lebensmuth hat in dem Alter als in meinem, und namentlich wenn man eine so anstrengende Thätigkeit hinter sich hat, wie ich die letzten 18 Jahre. Zugleich möchte ich Ihnen noch sagen, daß, sollte die Sache durch irgend welchen Beitrag von Seiten des Hofes zu Stande kommen, ich dennoch mich zu keinerlei Verpflichtungen gegen denselben verstehen könnte. Und nun schließlich eine Frage an Sie speziell: Sie wissen, daß der Gedanke, mit Ihnen an der Hochschule zu wirken, vor allem erfreulich für mich <sind> sein würde, aber, glauben Sie, daß wir neben einander unbeschadet unserer alten Freundschaft wirken könnten? denn Sie begreifen, daß in meinem Alter von Unterordnung nicht mehr die Rede sein könnte, so dankbar ich auch Rathschläge von Ihnen stets annehmen würde, wie dies ja bisher immer der Fall war. In dieser offenen Frage mögen Sie, lieber Joachim, erkennen, von welch großem Werthe Ihre Freundschaft für mich ist, und daß ich <> mich zu der Stellung nicht entschließen würde, müßte ich fürchten diese in irgend einer Weise getrübt zu sehen. Und nun Lebewohl! Sie finden jetzt doch nicht Zeit mir zu schreiben (vielleicht thuts die liebe Ursi ’mal mit ein paar Worten hierher) und so begleiten Sie denn meine innigsten Wünsche auf die Reise.
Herzlichst
Ihre Clara Schumann.
Noch Eines: ich setze voraus, daß, wenn ich z. B. nach einem Winter Thätigkeit an der Schule fühle, daß ich es doch nicht fortzuführen vermag, ich in keiner Weise gehindert wäre mich zurückzuziehen, was ich jedoch nicht eher thun würde als bis Sie einen Ersatz für mich hätten. Die besondere Bitte habe ich noch, daß, stimmen Sie überhaupt nicht überein mit meinen Bedingungen und zweifeln an der Annahme, Sie mir meinen Brief zurückschicken, und die Sache unter uns bleibt.
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