23.01.2024

Briefe



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ID: 10134
Geschrieben am: Dienstag 16.05.1871
 

Baden-Baden Lichtenthal 14 d. 16 Mai 1871.

Meine liebe Emma,

lange bin ich in Deiner Schuld geblieben, glaube aber, es war nicht meine Schuld! oft dachte ich daran Dir zu danken, aber die Ansprüche von allen Seiten waren so groß, daß selbst meine Kinder darunter leiden mußten, weniger Nachrichten bekamen, als ich selbst es gewünscht hätte.
So nimm denn vor allem meinen Dank für Deine theilnehmenden Erkundigungen wegen meines Ferdinands. – Derselbe ist, Gott sey Dank, gesund, aber steht noch immer vor Paris in Aubervillier, und ist natürlich sehr mißmuthig darüber. Am 1 July ist sein Dienstjahr um – ich hoffe dann doch sehr, daß er uns zurückkehrt, und zwar für einige Monate zu uns kommt, ehe er in ein neues Geschäfft eintritt.
Von uns Allen kann ich Dir soweit Gutes sagen, als wir gesund sind, und ich in England wieder auf Händen getragen wurde, und in der Familie, bei der wir wohnten, so liebevoll gepflegt waren, daß wir mit wahrhaft schwerem Herzen schieden. Ich hatte Eugenie mit, was für Marie sehr angenehm war, wie für mich eben so; sie hat London recht ordentlich kennen gelernt, Alles gesehen was nur irgend sehenswerth ist.
Meine Julie schreibt uns voll des Glückes mit Mann und Kind, nur erlitt unser schöner Plan, uns diesen Sommer irgendwo zu treffen, einen großen Querstrich, sie erwartet schon Anfang August ein zweites Kind, und kann also nicht los, da sie sich vor allen Extravaganzen hüten muß. So wird nun wieder ein Jahr vergehen, ohne daß wir uns sehen, was uns Beiden sehr betrübt ist.
Mit meinem Ludwig steht es sehr jammervoll – sein geistiger Zustand nimmt in solch ’nem Grade zu, daß er neulich seine Schwester Elise, die ihn besuchte, kaum kannte, und fast kein Wort mit ihr sprach, was einen fürchterlichen Eindruck auf sie gemacht. Ach, unsäglich traurig ist doch solch ein Leiden!
Sage mir doch, liebste Emma, recht bald, ob es wahr ist, daß Deine liebe Helene verlobt?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Leppoc, Emma, geb. Meyer, Emma (2583)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
229f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: N.Mus.ep. 1491
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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