London d. 24 März 1881.
Meine liebe theure Pauline,
oft dachte ich an Euer Glück seit deinem letzten Briefchen, konnte aber nicht früher schreiben, da ich nur sehr wenig schreiben darf wegen meines Armleidens. Ich benutze heute einen freien Tag, wo ich nicht zu spielen brauche, und will Dir endlich |2| sagen, wie sehr mich Deine Nachricht erfreut hat. Möge die liebe Mariane recht glücklich werden, es ist eben doch immer ein Loos das der Mensch zieht, wenn er sich für Lebenszeit bindet. Daß Marianens Bräutigam ein Künstler ist, freut mich auch, umsomehr, als er wie Du sagst, sehr Talentvoll ist. – Ach, wie gern möchte ich |3| Dich und die Deinen einmal wiedersehen! Du weißt auch von mir wie meine Anhänglichkeit für Dich in aller Ferne doch immer dieselbe bleibt. Faul im Schreiben bin ich wahrlich nicht, aber seit Jahren schon muß ich fast Alles dictiren, weil ich das Schreiben sehr schlecht für meine Muskelschmerzen im Arm finde, es strengt mich mehr an als Spielen. Hier geht es mir |4| ganz außerordentlich gut, ich bin stets mit dem größten Enthusiasmus aufgenommen wo ich spiele, ich bin aber auch fortgeschritten in meiner Kunst, das weiß ich, nur muß ich vorsichtig sein, und nie zu viel spielen, dann habe ich auch die nöthige Krafft. Bei uns geht es gut, wir erwarten in 14 Tagen meine Elisen mit Mann und zwei Kindern (Jungen) von Newyork für 6 Monate. |5| Sie ist sehr glücklich und sehr gut äußerlich auf gestellt – Ihren Mann liebe ich herzlich. Manches Schwere freilich habe ich durchlebt seit wir uns nicht sahen, doch das gütige Geschick ließ mir noch manchen reichen Besitz in Kindern und – der Kunst!!! Leb wohl, meine gute, liebe Pauline. Schreibst du mir auch nicht, so höre ich doch oft von Dir, denn, wo sich mir |6| Gelegenheit bietet, frage ich nach Euch. Marie empfiehlt sich Dir angelegentlich. Sie ist mit mir hier, und ich bitte dich das Junge Paar von uns aufs herzlichste zu grüßen u. den lieben Mann
In inniger
treuer Umarmung
Deine
Clara Schumann
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