Hochverehrter Herr!
Wenn ich es mir erlaube Ihnen durch Uebersendung der neueren Compositionen des gemüthvollen und beschaidenenen J. C. Kessler, einen kleinen Beweis meiner Hochachtung und Verehrung geben zu dürfen, was mir Ihre Freundlichkeit nicht übel deuten wird, wünsche ich dadurch zugleich Ihre Aufmerksamkeit auf den wackeren zurückgezogenen Keßler zu lenken. Keßler lebt seit ohngefähr 12 Jahren ein verborgenes, freudenarmes Leben in Lemberg, wo er übrigens durch Ertheilen von Unterricht, (welchen er ausgezeichnet giebt) sein Auskommen so ziemlich findet. Außer dem lebt er still und geräuschlos der Kunst u Poesie, nur selten einmahl, dann aber immer unter dem regsten Enthusiasmus der Musikfreunde – öffentlich im galiz. Musikverein auftretend – So kommt es, daß Keßler einer der vorzüglichsten Pianisten, ein Schüler Hummels (u ich glaube auch Beethovens) einer der wenigen, die ihr Instrument würdig u seinem eigenthümlichen innigen Charakter gemäß behandeln, in der Musikwelt so wenig gekannt ist. Um seinen Namen der hie u da, in gewissen höheren Kreisen, durch seine früheren Werke, besonders durch seine Etüden, recht gut bekannt ist, neue Frische zu geben, u hauptsächlich, um Keßler zu ermuntern, fühlte ich mich, als sein Freund veranlaßt, obgleich ich weiß welches undankbare Unternehmen der Verlag edler Musikwerke ist, mehrere Compositionen von ihm, die ich in seinen Bücherschränken fand, zu veröffentlichen. Es sind dieselben, welche ich Ihnen verehrter Herr als meine ersten Verlagswerke übersende mit der Bitte den braven Keßler Freunde zuzuführen.
Ich zweifle nicht, daß Sie, als Beförderer u Vertrauter der edlen Musik, auch Interesse an diesen neueren Compositionen Kesslers finden, und darin das schöne Gemüth und die reiche Fantasie desselben erkennen werden. Selbst in den kleinen Walzern, die ich zur Charakteristik Keßlers mit beilege, lassen sich diese Eigenschaften nicht verkennen, so wie auch ein Anklang von Melancholie in allen seinen Werken, eine geheime Trauer über seine Verhältniße nur zu deutlich verräth.
Bei gefälliger Prüfung dieser Compositionen werden Sie dieselben gewiß, Ihrer Aufmerksamkeit würdig finden, und |2| es wäre mir sehr angenehm, wenn Sie mir Ihre Meinung darüber gütigst gütigst mittheilen wollen.
Genehmigen Sie geehrter Herr die Versicherung meiner Verehrung mit der ich die Ehre habe mich zu nennen
Ew. Wohlgeboren
ergebenster
J Wm Pohlig
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