Wien, am 14ten 10ber 837.
Verehrter Freund! – Clara Wiek spielte – was sage ich spielte – sie feyerte den glänzendsten musick. Triumpheinzug in unsere kunstliebende Stadt am heutigen Tage. Wäre in mehren Blättern nicht schon häufig über Clara’s Genialität ausführlich abgehandelt worden, so könnte ich einen langen Artikel über sie schreiben, so viel Stoff gährt in mir; ich müßte gleich hervorheben die seelenvolle Auffaßung des wahrhaft Großartigen der Composition, die sie spielt, so wie die eigene schaffende Beygabe ihres außerordentlichen Vortrages, womit sie andere minder hoch stehende Stücke belebt und verschönert, wie sie von Bach (der himmlischen Mathematik) bis auf Liszt (der irdischen Regellosigkeit) von Beethoven (der genialsten Leidenschaft) bis Herz (dem Salon- u. Conversationsphlegma) – wie sie diese verschiedenartigen Sphären mit der gewaltigen Kraft ihres hohen Künstlertalentes durchfliegt, ohne dabey ihrer vollendeten Mechanik, der pikanten u. doch höchst innigen Accentuation u. so vieler Einzelnheiten weiter zu erwähnen, die man mehr fühlen als beschreiben kann.
Lassen Sie mich daher nur einfach berichten, daß sie mit <dem> einem Rondo v. Pixis (aus dessen Concerte in C) den Anfang glänzend eröffnete, u. das zweyte Mal folgende 4 Piecen vortrug
1. Etude v. Henselt „Wenn ich ein Vöglein wär’, flög ich zu dir“
2. Das aus Mondscheinduft gewobene Notturno v. Chopin (Fis) ,
3. Arpeggio Etude (Es) v. Chopin, die sie aber in Des nahm, u.
4. Andante u. Allegro v. Henselt
Alles war auf diese Leistung, deren Zusammenstellung hier unerhört ist, auf’s Höchste gespannt, v. dem wahren glühenden Musickverehrer bis auf jene Aftermusicker, denen Mendelssohn u. Chopin ein Gräuel ist, die sich selbst hingegen – außerordentlich verehren. Namentlich um Chopin war mir bange. Er spielte vor 6 Jahren im Theater sein köstliches Emoll Concert, welches bey der Masse des Publikums kein besonderes Glück machte, seither |2| wurde er von Vielen gar arg verlästert.
Nro 1 u. 4 mußte wiederhohlt werden (hier beyspiellos bey Clavierstücken) eben so entzückten 2 u. 3. Claras kurze improvisirte Präludien, die jedes Stück geistvoll einleiteten, der innige zarte schmelzende Vortrag in Vereinigung mit der glänzendsten Bravour, die sie aber nur als Mittel, nicht wie viele Andere als Zweck betrachtet, erhielt enthusiastische Anerkennung bey einem Publiko, welches, der gewähltesten Gesellschaft angehörig, <sich> an einem dem Concertgeben ungünstigen Wochentage in großer Zahl zugegen war. Sie müßten nur einmal einen solchen Enthusiasmus in Wien mit ansehen, um sich als Nordteutscher einen rechten Begriff v. diesem Toben und Stürmen machen zu können. Bedauern muß ich aber diejenigen, die gerne nach Anhören ergreifender Leistungen nachgenießen wollen, daß die <jetztige> jetzige Sitte durch ein Mittel die Anerkennung der göttlichen harmonievollen Musica feyert, welches stracks entgegengesetzt ist Allem dem, was so eben gehört wurde. Je inniger, zarter die Töne lispelten, je melodischer sich die kunstvolle musick. Darstellung gestaltete, desto tobender, lärmender mit unartikulirten Tönen vermischter wird der darauf folgende Beyfallssturm. Soll dieses Treiben etwa den Dualismus der Natur, Licht u. Schatten, Tag u. Nacht, Wärme u. Kälte, der sich ins Unendliche ausführen läßt, weiter bestättigen? Oder sehnt sich unser Gemüth, dem es unheimlich wird im zu langen Verweilen in der göttlichen Region künstlerisch erregter Begeisterung, wieder nach irdischer Atmosphäre?
Chopin’s Compositionen, auf solche Art vorgetragen, mußten endlich bey der Masse durchdringen, mögen dessen Gegner nur jezt sub rosa erfahren, daß der talentvolle Henselt den Chopin frey ins Deutsche übersezt hat u. daß das Edlere in Thalberg’s Compositionen Chopin’sche Anregung sey.
Als Beschluß spielte Clara ihre Variationen über die Cavatina aus dem Pirata, die im wahren Sinne des Wortes Furore machten. Wie oft sie gerufen wurde habe ich nicht gezählt, daß aber ihr Name in Aller Munde ist, bedarf erst keiner |3| weiteren Bestättigung, wenn man Zeuge von der Sensation ist, die seit Paganini und Thalberg kein Künstler in solchem Grade erregt hat. Von dem steifsten Classiker wird ihr gehuldigt bis zum romantischen Schwärmer, deren es im Vorbeygehen gesagt in unserem lebenslustigen Wien nicht gar zu Viele giebt.
Am Sonntage vorher spielte sie bey mir Schubert’s Trio in Es, Seb. Bach’s Præl. u. Fuge in Cis u. mehre andere Piecen, worunter ein Hexenchor ihrer eigenen Composition allgemein interessirte (Ich bitte mir, die Pieces detachées, woraus derselbe entnommen, durch bekannte Gelegenheit hieher gütigst zu besorgen) Unter den begeisterten Zuhörern befanden sich, Grillparzer, Lenau, Bauernfeld, Castelli, Uffo Horn, Bar. Schweizer, Capellm. Nicolai, v. Vesque, <deren Gegen> u. viele andere Kunstfreunde, deren Gegenwart im Verein mit der großartigen Leistung meine bescheidene Wohnung zum wahren Kunsttempel umschuf.
Und nun für heute genug von Ihrem Sie verehrenden
Prof. Fischhof
Privata. Für Ihr Schreiben danke ich herzlich, machen Sie v. diesem Brief beliebigen Gebrauch selbst mit meinem Namen, nur muß: Ausz. aus einem Privatschreiben von <Pr. F.[?]> vorangehen.
Clara hat mich zuerst mit Ihren herrlichen fantastischen Gebilden vertrauter u. dafür enthusiastisch gemacht. Möge Sie die ehrliche u. unbedingte Anerkennung für das <E>entschädigen, was im <gewoh> gewöhnlichen Leben philiströs im Wege vegetirt u. <s>Sie Ihr hehres Ziel unverwandt verfolgen. Nächster Tage wird Clara Ihren herrlichen Carneval bey mir spielen, wozu der Alte ein Programm sprechen will – ! Ihr Portrait hier lithographiren zu lassen geht[?] u. sagte Mechetti mir daß Sie in summa 100 Abdrucke ungefähr auf 50[?] Fl. C. M. kommen. J. B. Gross schickte, wie er schrieb, mir 3 Exemplare des Seinigen, ich erhielt zwar Musickalien, aber kein Porträt, vielleicht kann Ihnen Hofmeister darüber Auskunft geben. Mendellssohn [sic] grüße ich viele Mal, er soll doch ernstlich hieherkommen, um die klaffernden Selbstsüchtler zum Schweigen zu bringen am meisten rumort ein Hh Holz, einer der Leiter der Concerts spirituels, durch <in> die Lachnerische Preissymph. berüchtigt. Warnen Sie die Künstler, die hieher kommen, vor dessen Arrogance u. Unverschämtheit, Clara hatte auch viel v. diesem musick. Mäckler zu leiden. Nro 31 u. 32 Ihres Blattes langte durch Tendler nicht an mich an, belieben Sie dessen nachträgliches Schicken zu veranlassen
Notitzen. Lindpaintner ist nach Gräz gereist, um daselbst seine Oper „die Macht des Liedes“ aufzuführen, nachdem er bey der hiesigen Direction damit gescheitert ist.
Madame Pirscher u. Herr Schmezer aus Braunschweig gastiren mit Beyfall.
Dlle Jenny Lutzer ist zur k. k. Kammersängerinn ernannt worden, Mad. Pasta erhielt auch diesen Titel. K. k. Kammervirtuosen sind die Hh Paganini, Thalberg, Mayseder u. Merk.
Hh Blagrove, erster Violinist der verwittweten Königinn v. England, erfreut sich einer höchst ehrenden Anerkennung, eben so entzückte der Engländer Parish-Alwars durch sein Harfenspiel.
Privata. Könnte ich nicht durch Mendelssohn’s Erlaubniß eine Abschrift des 3 clavierigen Konzertes v. J. <B>Seb. Bach, wo möglich in Partitur erhalten? Ich würde selbem sehr verbunden dafür seyn u. ließ schon durch Hh Fuchs darum ersuchen. Vielleicht dürfte in meiner Sammlung <ein>etwas v. Bach noch nicht Erschienenes sich vorfinden, welches als Revenche angenommen würde. Die Copiekosten natürlich kämen auf meine Rechnung. –