Verehrtester Herr Doctor!
Zuvörderst meinen ergebensten Dank für übersendete Exemplarien von meiner Bachischen Sippschaft! Gänzlich nach Wunsche ist sie mir insofern nicht gedruckt, als die Drucksorten nach den Menschenaltern sich abstufen; denn dadurch sind nun kleine Lichter in der ersten Generation viel augenfälliger, als in der letzten die Sterne erster Grösse. ich habe übrigens hier damit Freude angerichtet; ja, Morlacchi kam zu mir, um mir zu danken, aber auch noch 2 Weinlig’sche Schüler in Erinnerung zu bringen: Klengel (der später erst bei Clementi studirt) und K. Borrom. v. Miltitz (dessen Sachen, unter uns gesagt, zwar regelrecht, aber ziemlich trocken, und durch ein garstiges Haschen nach Neuheit sogar widerlich sind). Auch noch einige andere Glieder in dieser Tabelle haben sich ge¬funden, wie denn bei der Musikgeschichte es ganz besonders gilt, daß dies diem docet; daher kann so etwas nicht ausbleiben. Vom commentirenden Texte zu dieser Tafel habe ich bis jetzt noch nichts zu sehen bekommen.
|2| Da Ew. Wohlgeb. mir gütigst schrieben, etwas kürzer gefaßt, könnte die Geschichte der Dresdener Capelle wohl etwa Aufnahme in Ihre Zeit¬schrift hoffen, so habe ich sie aus diesem Gesichtspucnte [sic] nochmals behandelt, und zwar bis zu Webers Auftreten allhier. Von diesem aber hat man soviel gelesen, daß ich glaubte, dort abbrechen zu können. ich schicke Ihnen nun hier das Ganze; vielleicht, daß Sie es so brauchen können. Wo nicht, so erbitte ich es mir, wie überhaupt für künftige Zeiten alles, was ich Ihnen etwa zuzuschicken mir erlauben werde, zurück; denn doppelte Abschrift kann man doch nicht füglich nehmen.
Ein solches aufs Geradewohl hier beigelegtes Etwas – es kann füg¬lich unter Miscellen Platz finden – bespricht die Productivität der Zittauer Gegend an ausgezeichneten Künstlern, die in der That so groß ist, als wohl in wenigen anderen deutschen Gauen. mich dünkt, wenn Sie diese Kleinigkeit aufnähmen, könnte dieses Anderen Veranlassung geben, auch andere Gegenden in solcher Weise zu behandeln.
Vorgestern wurde unser Clarinettist Cotta oder (wie er sich seit 20 J. erst schreibt) Kotte todt gesagt, und es war unter allen Musikfreun¬den wahres Wehklagen; denn wir könnten wohl wieder einen so fertigen, aber gewiß keinen so zur Seele sprechenden Bläser wieder bekommen; in dieser Hinsicht hat er wohl zur Zeit den ersten Rang in Deutschland. Glücklicherweise lebt er noch, jedoch nicht ausser aller Gefahr. Er hat sich nämlich wegen |3| einer hinterm Ohre entstandenen Beule müssen operiren lassen, und davon ist das Hirn stark angegriffen, sodaß man eine Gehirnentzündung fürchten mußte. Wäre überdies auch schade um den äusserst braven, still-bescheidenen und liebenswürdigen Mann, dessen Jahres-Benefizconcert auch immer von allen das besuchteste ist, weil die ganze Capelle es sich zur Freude macht, ihm dabei zu dienen.
Nun sorgen Sie aber auch, theuerster Herr Doctor, daß Sie hübsch wohl bleiben! Dieß der herzliche Wunsch
Ihres
gehorsam ergebensten
Albert Schiffner.
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