BERLIN W KURFÜRSTENSTRASSE 81
den 21. Januar 1881.
Hochverehrte liebe Frau Schumann
daß der Gedanke an Sie bei uns stets wach und lebendig ist bedarf gewiß keiner Versicherung denn Sie wissen wie wir Sie lieben u. verehren aber um Sie zu bitten unsrer auch freundlich eingedenk zu bleiben deshalb hätte ich längst schreiben sollen und es ist mir leid daß ich so lange mich habe abhalten lassen, denn so schmerzlich wird es mir wenn nicht ein festes Band mit Ihnen uns trotz der Entfernung erfreute und blieb.
Hoffentlich geht es Ihnen und Ihren lieben Töchtern wohl, ich hörte zu meiner Freude von mancher Seite Gutes von Ihrem Ergehen und noch kürzlich daß wir hoffen dürften Sie im März hier zu sehen u. zu hören. Wie schön wenn es dazu käme! Darf ich nun Ihrer freundlichen Theilnahme eingedenk die mir so warm in der Erinnerung vom persönlichen Zusammensein geblieben ist Ihnen von uns erzählen? Es war zu schön wenn ich neben Ihnen sitzen durfte u. Sie so mütterlich gut gegen mich waren, immer werde ich Ihnen dafür dankbar bleiben und wie innig wünschte ich die Wiederkehr solcher Stunde. Das vergangene Jahr brachte für meinen Mann wie Sie vielleicht wissen eine Veränderung in seiner amtlichen Thätigkeit die wir namentlich unter den eingetretenen Verhältnissen: dem Ministerwechse etc mit Freude begrüßten, zumal in der Aussicht daß die Ueberlast der Geschäfte dadurch von ihm genommen würde. Für den Sommer konnte sich diese Erleichterung Angesichts des Jubiläums der Museeen [sic], das viel Arbeit u. sehr eilige mit sich brachte nicht geltend machen, im Gegentheil waren es Monate solcher Anstrengung daß ihnen meines Mannes Kräfte kaum gewachsen waren. Ich war in jenen Monaten ziemlich elend als Anfang einer Zeit die jetzt so Gott will bald einen frohen u. glücklichen Abschluß findet u. wir konnten beide aus verschiedenen Gründen nicht vor Anfang August Berlin verlassen, was uns auch wegen der beiden Kleinen leid that, während wir Hermann schon mit unserm Fräulein hatten 3 Wochen vorher an die Ostsee gehen lassen. Desto schöner war es dann als wir am 7. August auch aufbrachen und wirklich herrliche 6 Wochen Ruhe bei wundervollem Wetter uns dort geschenkt wurden. Wir kamen Alle sehr erfrischt zurück und hofften einen guten Herbst u. Winter. Da ist es nun sehr anders gekommen, mein Mann hat ein Vierteljahr lang sehr viel gelitten und ausgestanden. In den ersten Tagen des October zog er sich durch eine falsche Bewegung eine Knieverrenkung zu, die so schwere u. langwierige Folgen gehabt hat, daß er noch jetzt lange nicht den vollen Gebrauch dieses Beines[wieder] hat. Er hat Monatelang fest gelegen im Bett u. dann auf dem Sopha das er nur mit Hülfe von Krücken erreichte, allerlei äußere Uebel traten hinzu u. nahmen ihm Schlaf, Appetit und Kraft, dies waren Wochen in denen mir manchmal bange war, ebenso den Freunden, deshalb sehe ich jetzt mit großem Dank und Beruhigung vorwärts, denn namentlich seit den letzten 14 Tagen spürt mein Mann wesentliche Besserung u. hat in den letzten Tagen zum ersten mal kleine Strecken Weges zu Fuß zurückgelegt. Das Massiren das im November hatte eingestellt werden müssen that ihm jetzt sichtlich gut, Herr Scheibe (von Prf. Essmarch
unterrichtet) hat hier schon Vielen geholfen u. wir haben sehr gutes Zutrauen zu ihm. Auf diese Weise haben wir ganz still u. zu Haus gelebt; es kam dazu daß Johanna im December Scharlachfieber bekam was uns natürlich von Allen trennte, sie hatte es Gott sei Dank sehr leicht und ist jetzt wieder ganz gesund nur noch nicht aus gewesen wegen der Kälte. Georg war kurz zuvor auch sehr krank u. d. Arzt ist der Meinung daß er verstecktes Scharlach gehabt hat, wie dankbar u froh müssen wir nicht sein daß Alles so gut vorüber gegangen ist bei uns, während wir um uns herum bei Freunden soviel Trauriges erlebt haben was nie wieder zu heilen ist. Dieser stille Winter ist sehr schön, es ist der Segen solcher Zeiten daß man im engsten Familienleben u. mit den Kindern Freuden hat die man sonst kaum in dem Maaße findet. Alle Tage freue ich mich von neuem auf die Kinder mit denen ich so glückliche Stunden verlebe. Sie sind so lustig und vergnügt, wie glückselig hat Georg heute seinen Schlitten durch den Thiergarten gezogen, es war ein wundervoller Wintertag ich machte einen weiten Weg mit ihm, Berlin ist doch schön! Mein Mann ist heute zum ersten mal wieder in seinem griechischen Kränzchen u. ich benutze den Abend zum Lesen und Schreiben. Der Tag ist immer so schnell hin u. von so viel kleinen Dingen und Geschäften ausgefüllt, namentlich vor einer Zeit die einem [sic] dann von Allem trennt u. vor der man noch Mancherlei gern in Ordnung bringt. Unsre Häuslichkeit wird mir immer lieber, ich denke manchmal mein Herz hängt zu sehr an Allem was ich hier auf Erden habe und mit jedem Kinde wächst man fester hier an. In meinem Zimmer steht jetzt ein schöner grüner Kachelofen der sehr zum Behagen beiträgt und an meinem Kaminfeuer des Abends erfreuen wir uns wie Kinder. Spittas haben durch die lange Krankheit von Lischen auch viel Sorge gehabt die ich recht lebhaft nachgefühlt habe. Nun aber geht es hoffentlich so gut weiter u. im Sommer hilft das was dafür geschehen soll alle Gefahr zu beseitigen. In der Singakademie war ich diesen Winter nur einmal; in dem Conzert von Frau Schultzen, an den Quartetten haben Andere statt unser sich erfreut, vielleicht kann mein Mann doch noch das Letzte hören wenn es so fortgeht mit seinem Befinden. Liebe Frau Schumann es ist mir doch fast als müßte ich um Entschuldigung bitten daß ich Ihnen so viel und auch so Unbedeutendes vorerzählt habe, wie gern wüßte ich auch aus Ihrem Leben etwas. Hoffentlich wissen die, die das Glück haben in Ihrem Hause zu verkehren es auch recht zu schätzen. Frl. Fillunger ist ja gewiß immer viel bei Ihnen bitte grüßen Sie sie auch von mir.
Mein Mann empfiehlt sich Ihnen und Ihren Töchtern herzlich und ich bitte sie auch freundlichst zu grüßen. Mit der Bitte daß Sie auch ferner unsrer eingedenk bleiben bin ich in inniger Verehrung
Ihre ergebene Helene Schöne.
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