2. April 1860 Nachts.
Hochverehrte gnädige Frau!
Ein mißliches Geschick will mir<s> in jeder Weise heuer das Glück trüben, einige Stunden ungestört in Ihrer Nähe zu weilen, und mich mit Ihnen über die wichtigsten Fragen des Künstlerlebens zu unterhalten. So wurde mir denn auch der Abend des Samstag, an welchem Sie uns erlaubten zu Ihnen zu kommen, verdorben durch die Ankunft von Bekannten, die mir unverhofft ins Haus fielen, und |2| denen ich meine kostbare Zeit widmen mußte, und das so seltne Glück entbehren, in Ihrer Nähe zu weilen. – Verzeihen Sie mir also, daß ich nicht Wort gehalten, und glauben Sie, daß ich am Schlimmsten dabei gefahren; Am Ostermontag werde ich Ihren zaubervollen Klängen im philharmonischen Conzerte lauschen, und erbitte nun am Dienstag, wofern Sie nicht schon an diesem Tage reisen wollen, wenige Minuten, um Ihnen noch Dank sagen zu können für das, Was ich durch Ihren bewunderungswürdigen Geist genossen. |3| Sie sind mir ein neuer Bürge, was ein Andachtvolles Herz in seiner reinen Hingebung an die Kunst vermag; ein solches Künstlerleben, ist das einzig Wahre und Heilige im Leben, und ich werde fest daran halten, wenn aller andre Tand verschwindet; – die Poesie in jedweder Form ist das Himmelreich des Erdensohnes, es ist das Höchste, das ein Gott selbst bieten kann, die Welt hat keine Freuden auf diese. –
Nun küsse ich Ihre Zauberhände, sage Ihnen ein Lebewohl auf kurze Zeit, grüße unsern lieben Holtei bestens von Ihnen, |4| und bitte Sie, in freundlichem Gedächtniß zu behalten
Ihren
Sie verehrenden und bewundernden
Lewinsky
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