23.01.2024

Briefe



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ID: 18257
Geschrieben am: Sonntag 05.08.1866
 

Monrepos, d. 5. Aug. 66
Meine liebe Frau Schumann!
Es war nicht Faulheit von mir, daß ich Ihren lieben Brief so lange unbeantwortet ließ, sondern vielmehr das ängstliche Gefühl, unbescheiden zu sein u Ihnen zur Last zu fallen. – Das wäre doch ein schlechter Dank für Ihre große Freundlichkeit, mir zu schreiben. Und doch, wenn ich so lange nicht antworte, könnten Sie denken, ich freute mich nicht über Ihre Briefe! –
Sie haben gewiß gehört von der endlichen Erlösung meiner armen Cousine. Was sonst ein bittrer Schmerz gewesen wäre, das konnte u durfte mich nur mit Dank erfüllen. Sie hat sich die Siegerkrone u die kommende Seligkeit verdient, durch ein Leben voll heißen Kampfes u schwerer Leiden. Jetzt kann sie ausruhen u ein Glück genießen, das ihr unsre arme Erde doch nie geboten hätte.
So wenig lockend mir auch sonst das Leben erscheint, so muß ich doch sagen, dß ich froh bin, diese Zeit noch zu erleben. Ich vergesse die Leiden, selbst die meiner nächsten Verwandten, in der Freude dß unser liebes Vaterland wieder einen riesigen Schritt vorwärts gethan hat, zu seiner Stärke und Einheit. – Mein Bruder ist ganz gesund geblieben u schreibt begeisterte Briefe. Aber der arme Pr. Anton Hohenzollern thut mir unendlich leid, obgleich ich ihn selbst nicht kenne. Er muß entsetzliche Schmerzen aushalten u ist noch immer nicht außer Gefahr. Von seiner Schwester hatte ich wahrhaft rührende Briefe. Mein Bruder fand ihn nach der Schlacht in einer Bauernstube mit 3 Schuß! Es ging ihm sehr nah, denn er hat ihn auf der Reise im Orient sehr lieb gewonnen. Ich würde so gerne wissen, ob Sie den ganzen Sommer in Baden sind u ob der Aufenthalt dort jetzt sehr angenehm ist? Es scheinen die Menschen im Süden Alle so sehr leidenschaftlich zu sein, viel mehr, als wir es je waren.
Lessing, Frau Schroedter haben Sie gewiß oft gesehen. Wenn Sie sie wiedersehen, bitte grüßen Sie Beide auf das Herzlichste von mir!
Von ganzem Herzen
Ihre
Elisabeth Wied

  Absender: Elisabeth (Pseudonym: Carmen Sylva), Prinzessin zu Wied (418)
  Absendeort: Monrepos
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 12
Briefwechsel Clara Schumanns mit Landgräfin Anna von Hessen, Marie von Oriola und anderen Angehörigen deutscher Adelshäuser / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-023-0
347f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,180
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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