London d. 24 März 1876.
14 Hyde Park Gate
Lieber Levi,
erst jetzt habe ich Ihre Trauernachricht erhalten – ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, mit welchen Empfindungen mich dieselbe erfüllt hat. Sie mußten ja längst den Schlag befürchten und doch, tritt die Wirklichkeit eines solchen ein, so ist man wie betäubt, und meint, man trägt es nicht. Das arme Mädchen welche zehn Jahre hat sie verlebt in der Liebe zu Ihnen und der Nothwendigkeit immer getrennt von Ihnen zu leben. So war denn ihr Tod doch eine Erlösung von vielen Qualen, physisch und moralisch, und man kann doch nicht anders als es so ansehen für Sie Beide, denn, Sie lebten ja auch nur ein halbes Leben, und wären darüber auch zu Grunde gegangen. Lassen Sie nicht den Muth sinken lieber Freund. Mit dem eignen festen Willen uns zu ermannen giebt uns der Himmel gütig genug so viel Elasticität daß wir die schwersten Schicksale zu tragen vermögen, und nach dem Schwersten doch immer wieder die Freude am Leben aufflackert, und, haben wir Etwas noch auf der Welt, an dasselbe kettet. Und haben Sie nicht die Kunst? das ist doch die treueste Trösterin, unser wundes Herz stets sanft umwehend, unsere Seele stärkend – bei allem Schweren, was uns kommen kann, sind wir doch vor Millionen von Menschen bevorzugt, und dürfen nicht verzagen so lange uns noch die Kraft der Thätigkeit bleibt. Auch haben Sie noch die Jugend, mindestens noch eine Reihe Jahre vor sich in welcher Sie wirken können in voller Manneskraft. So habe ich denn allen Muth für Sie und bin sicher Sie werden sich aufraffen. Welch schmerzvolle Reise war diese Ihre Letzte zu ihr, wie fühle ich das mit Ihnen.
Von mir erzähle ich Ihnen heute nichts, es kann Sie wenig interessiren – später, wenn wir uns ’mal sehen, was ich doch diesen nächsten Sommer hoffe, dann vielleicht freuen Sie sich mit mir meines Empfanges hier. Es geht sehr gut mit dem Spielen, ich bin aber sehr vorsichtig, und spiele nur zwei mal die Woche öffentlich. Schreiben soll ich nun eigentlich gar nicht, und so will ich denn auch schließen. Marie trägt mir auf Sie ihres herzlichen Mitgefühls zu versichern, und so sage ich ihnen noch das Herzlichste, meine wärmsten Wünsche!
Ihre getreue
Clara Schumann.
An Johannes schreibe ich nächstens.
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