Baden d. 29 Aug 1873
Lieber Joachim
es verging kein Tag seit Bonn an dem ich nicht viele Male Ihrer in dankbarer Erregung gedacht, schreiben aber konnte ich nicht, da ich vieles zu Erledigende hier vorfand und viel Besuch hatte. Ich habe viel in meinen Scripturen-Schranke gekramt, wollte so gern Etwas finden das ich Ihnen als Andenken an die Tage, die durch Sie eine so hohe Weihe erhalten, und mir durch Sie doppelt festlich wurden, senden könnte. Eine der Symphonien wäre mir das Liebste gewesen, leider aber habe ich Keine mehr, auch nicht die Manfred-Ouvertüre, und so bleibt mir nur das Nachtlied. Sie äußerten, daß Sie es gern möchten, auch mir hat es einen wunderbar ergreifenden Eindruck gemacht; nehmen Sie es freundlich an, und gedenken zuweilen, wenn es Ihnen in die Hände kömmt, Ihrer alten Freundin. Wir leben noch ganz in der Erinnerung der Tage, hier aber kam all die Wehmuth über mich, die ich in Bonn mit ernstem Willen zurückgedrängt hatte. Ich habe jetzt immer so ein Gefühl als sei mit diesem Feste meine Künstlerlaufbahn beschlossen, so schön, so beglückend wie möglich, aber – doch, ich fühle ich kann nicht recht sagen, welche Empfindungen meine Seele durchziehen, es ist ein fortwährendes auf und abwogen von Freude und Trauer! als ich so viel Liebe empfing, von Ihnen und Allen im Publicum, da hätte ich, bei all der Freude die mein Herz bewegte, laut aufweinen können, daß all die Liebe und Verehrung für ihn wie aus einem Füllhorn auf mich herabfluthete, während er draußen auf dem Kirchhof ruhte! wie schwer ist es in solchen Augenblicken nicht den Trost des Glaubens zu haben! aber voll des Dankes ist mein Herz für das Erlebte und daß es den Kindern vergönnt war ihres theueren Vaters Andenken so verherrlicht zu sehen, und vor allem dies durch den Kunstgenossen, der ihm so theuer war, den er so innig verehrte, und wir mit ihm. – Ich hatte ein paar schöne Tage als Nachfeyer hier durch Johannes, der schöne Sachen brachte. Zwei Streichquartette die mir von höchster Bedeutung scheinen, einige wundervolle Lieder und die Var. die Sie kennen, die ich sehr schön finde. Er war auch sonst liebenswürdig was die Tage gemüthlich machte. Wie mag es Ihnen nun gehen? ach, wären Sie doch lieber etwas mit in die Berge gegangen, das hätte Ihnen sicher ebenso wohl gethan als Seebad, und wirkt doch noch erfrischender auf das Gemüth. Haben Sie sich von den Anstrengungen erholt? und die liebe Sängerin, die so wunderbar schön gesungen? Eine Bitte habe ich an Sie. Möchten Sie wohl das Comitee in Bonn veranlassen ja kein Denkmal ohne unsere und etwa Bendemanns Zustimmung zu wählen! es geschieht so oft, daß durch Ungeschick die beste Absicht vereitelt wird! und das wäre schmerzlich. Da ist z. B. Kietz und Donndorf in Dresden, die das Uhlanddenkmal gemacht (Schüler Rietschels) die ausgezeichnet sein sollen, Diese haben auch unser Medaillon. Viel haben wir schon überlegt wegen des Steines, der jetzt da ist. Die Herren sagten mir, er solle bleiben. So lieb mir das nun auch wäre, so möchte ich doch nicht, daß man aus Pietät für mich etwa das künstlerische Gelingen des Denkmals dadurch beeinträchtigte. Jedenfalls müßte der Stein gehoben, und die unleserliche Schrift verändert werden. Hier stimmen, außer Marie, Alle dafür, daß er bleiben müßte – ich suche mich aber von der Idee loszumachen, indem ich mir sage, daß vor allem das Denkmal ein einfach Schönes sein müßte. Geht es mit meinem Stein, so ist es mir doppelt lieb, geht es nicht, so füge ich mich, denn ein Denkmal gehört der Welt, späteren Generationen, denen es gleich ist ob ich oder ein Anderer es gesetzt. Den Herren schreiben Sie, bitte, darüber nichts, – ich erwähne es ganz nur unter uns, möchte gern wissen, was Sie darüber denken? Johannes meinte, der Stein müsse bleiben!
Meine kleine Gabe folgt nächstens – ich lege dann auch die Var. für Rudorff bei den Sie herzlich grüßen wollen. Ihrer lieben Frau das Schönste, und Sie lassen Sich die Hand aufs wärmste drücken mit der Bitte, bald von sich hören zu lassen.
In alter Treue
Ihre
Clara Schumann.
Wie lange bleiben Sie in Norderney? Gingen Sie zur Nachcur noch etwas in die Berge, käme ich auch noch! etwa Axenstein, das für den Herbst wundervoll ist, und doch schon etwas hoch – gewiß wäre Ihnen Beiden das sehr zuträglich.