23.01.2024

Briefe



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ID: 1018
Geschrieben am: Dienstag 08.09.1840
 

Leipzig, den 8ten September 1840.
Ganz glücklich sind wir angelangt, meine theure Freundinn, noch voll von den letzten Tagen und in seliger Erwartung der nächsten. Könnten Sie doch noch kommen zum 12ten und lange hier bleiben. Mir ist gesagt wor¬den, Hr. Schleinitz sei noch einmal zu Ihnen, um Ihre Eltern und Frl. Eli¬sen zu bewegen, die ersten Concerte hier zu bleiben. O thun Sie es, kom¬men Sie. Ich bin überzeugt, der <erste> Erfolg nur des ersten Auftretens Elisen’s schlägt alle Ihre Angst und Zweifel nieder. Welchen Eindruck ihr Gesang auf mich gemacht, würde Ihnen Klara wohl am besten sagen, die noch gestern Abend zu mir sagte (im freundlichsten Ton) „lieber R., Du schwärmst ja ganz“ – glauben Sie es wohl? |2| Könnte ich sie nur noch mehr hören, so wollte ich Ihnen auch noch viel darüber schreiben. Mir fällt bei solchen Stimmen so vielerley ein, z. B. Spanien, das ganze Land in seiner südlichen dunkeln Romantik, dann auch besondere Musik, um die nun die Welt kömmt, wenn ich die Stimme nicht wieder höre – mit einem Worte, die Stimme ist eine der seltensten und herrlichsten und dann, man hört mehr als diese, es ist die Erscheinung einer edlen Natur überhaupt, wie sie mir Klara so oft geschildert. Diese Zeilen sind nur für Sie, liebe Freundin, und wenn Sie wollen, für Ihre Eltern; an die schöne Stimme selbst schreibe ich vielleicht später, wenn es erlaubt ist, nur dann mehr als Musiker. Auch Klara darf nichts davon wißen – der Beilage wegen, die Klara erst am Trauungstag erhalten soll; ich schicke sie Ihnen, damit Sie nicht zu weit entfliehen, schon jetzt. Möchte Elisen manches darin gefal¬len; mir |3| scheint die „Lotosblume“, die „Widmung“ sage wenigstens ihrer Stimme zu; ob auch ihrem Herzen, sagen Sie mir vielleicht später gelegentlich mit ein paar Worten.
Das andere Exemplar haben Sie die Güte an Hrn. Montag, unsern freundlichen Wirth, zu schicken. Gern möchte ich auch wißen, wie lan¬ge Sie noch in der Nähe blieben, um Sie zu bitten, die Myrthen mit für Pauli[ne] Garcia u. Hrn. Kastner in Paris, für jedes ein Exemplar, mit¬nehmen zu wollen.
Schreiben Sie mir bald, liebe Freundin – und noch schöner, kommen Sie, reden Sie zu Leipzig zu. Elise, wenn ich nicht ganz irre, wird der Ab¬gott des Publicums und Sie werden hier sicher eine freudigere Zeit verle¬ben als in Paris. So viel möchte ich Ihnen noch schreiben; verzeihen Sie die Flucht; mich treibt so vieles. Herzliche Grüße Ihnen und
den Ihrigen
von Ihrem
ergebenen
Robert Schumann
|4| Ihro Wohlgeboren
Fräulein Emilie List
abzugeben im „Preußischen Hof“
in
Weimar.
Nebst
einem Paquet Musikalien.
Franco.






"Ganz glücklich sind wir angelangt, meine theure Freundinn, noch voll von den letzten Tagen und in seliger Erwartung der nächsten. Könnten Sie doch noch kommen zum 12ten und lange hier bleiben. Mir ist gesagt worden, Hr. Schleinitz sei noch einmal zu Ihnen, um Ihre Eltern und Frl. Elisen zu bewegen, die ersten Concerte hier zu bleiben. O thun Sie es, kommen Sie. Ich bin überzeugt, der Erfolg nur des ersten Auftretens Elisen's schlägt alle Ihre Angst und Zweifel nieder. Welchen Eindruck ihr Gesang auf mich gemacht, würde Ihnen Klara wohl am bestens sagen, die noch gestern Abend zu mir sagte (im freundlichen Ton) "lieber R. Du schwärmst ja ganz" - glauben Sie es wohl?
Könnte ich sie nur noch mehr hören, so wollte ich Ihnen auch noch viel darüber schreiben. Mir fällt bei solchen Stimmen so vielerley ein, z. B. Spanien, das ganze Land in seiner feierlichen dunkeln Romantik ... mit einem Worte, die Stimme ist eine der seltensten und herrlichsten und dann, man hört mehr, als diese; es ist die Erscheinung einer edlen Natur überhaupt, wie sie mir Klara so oft geschildert.
Diese Zeilen sind nur für Sie, liebe Freundin, und wenn Sie denken, für Ihre Eltern; an die schöne Stimme selbst schreibe ich vielleicht später, wenn es erlaubt ist, nur dann mehr als Musiker. Auch Klara darf nicht davon wißen - der Beilage wegen, die Klara erst am Trauungstag erhalten soll ... Möchte Elise'n manches davon gefallen; mir scheint die "Lotusblume", die "Widmung" sage wenigstens ihrer Stimme zu; ob auch ihrem Herzen, sagen Sie mir vielleicht später gelegentlich mit ein paar Worten ..."
"... Elise, wenn ich nicht ganz irre, wird der Abgott des Publicums und Sie werden hier eine freudigere Zeit verleben als in Paris ...
verzeihen Sie die Flucht"; "mich treibt so vieles ..."
Kat. J.A. Stargardt Nr. 588: 19.02.1969, S. 180-182, Los 728, (gek., mit Faks. S. 1)

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Weimar
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
127-130

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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